In diesem Beitrag lade ich Sie ein, mich bei einem Besuch in Luederitz zu begleiten. Es ist ein Ausflug in die Vergangenheit des Landes: Ich will ein wenig auf den Spuren jener Deutschen wandeln, die in Luederitz lebten und wirkten – in einer Zeit als Namibia noch „Deutsch-Südwest-Afrika“ hieß und eine deutsche Kolonie war. Die Hafenstadt liegt an einer Bucht im Südosten von Namibia am Atlantik. Im Hinterland erstreckt sich die Wüste Namib. Es ist ein Ort, der Geschichte machte.
Inhaltsverzeichnis
Die Geschichte der Stadt
In diese recht karge, gottverlassene und unwirtliche Region kam 1883 ein Bremer Kaufmann und kaufte ein großes Stück Land. Es war der Tabakhändler Franz Adolf Luederitz und man fragt sich, was ihn wohl in diese trostlose Ecke der Welt getrieben haben mag. Nun, er war auf der Suche nach Geld und Reichtum. Er glaubte, hier kostbare Bodenschätze zu finden, die ihm den erhofften Wohlstand bringen sollten.
Er war allerdings nicht der erste Europäer, der hierher kam. Denn knapp 400 Jahre vor ihm ist der Seefahrer und Entdecker Bartholomeu Diaz unweit dieser Bucht gelandet. Der Portugiese war auf der Suche nach dem Seeweg nach Indien . Viel schien sich seitdem nicht geändert zu haben. Bei der Ankunft des Kaufmanns lebte das Volk der Nama in der Region, von dem er das Landareal erwarb.
Der berüchtigte ‚Meilenschwindel‘
Doch nach ganz ehrlichen Kaufmannsprinzipien war es nicht zugegangen. Denn der Landverkäufer war bei diesem Handel kräftig über den Tisch gezogen worden. Wie kam es dazu? Das Stück Land an der Atlantikbucht sollte etwa 40 x 20 Meilen groß sein. Der Häuptling war dabei von englischen Meilen ausgegangen, dem damals vor Ort üblichen Maß. Doch erst nach Vertragsabschluss wies man ihn darauf hin , dass es sich um preußische Meilen handle. Dieses Längenmaß war zur damaligen Zeit etwa 4,5 mal länger als das englische. Damit war ein sehr viel größeres Stück Land an die Deutschen verkauft worden als gedacht. Eine Änderung war natürlich nicht mehr möglich! Dieser Betrug erlangte später traurige Berühmtheit als ‚Meilenschwindel‘.
Die Geburt der Kolonie ‚Deutsch-Südwest-Afrika‘
Adolf L
Adolf Luederitz schaffte es auch, den deutschen Kaiser vom wirtschaftlichen Nutzen dieses Gebietes zu überzeugen. Bereits ein Jahr später stellte der damalige Reichskanzler Bismarck auf Lüderitz Bitte hin diesen Küstenstreifen unter den ‚Schutz des Deutschen Reiches‘. Es war die Geburt der Kolonie ‚Deutsch-Südwestafrika‘. Obwohl die deutsche Kolonialzeit nur recht kurz war, sie endete nach gut 30 Jahren 1915, hinterließ sie doch tiefe, bis heute sichtbare Spuren.
Wie die Stadt zu ihrem Namen kam
Ihren bis heute gültigen Namen verdankt die Stadt Franz Adolf Luederitz. Noch bis 1920 hieß sie eigentlich Luederitzbucht. Doch nachdem der bremer bei einer Flussfahrt ertrunken und sein Leichnam nie gefunden worden war, beschloss man, ihm zu Ehren den Namen der Stadt auf Lüderitz zu verkürzen. In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Bestrebungen, den an die ungeliebte Kolonialzeit erinnernden deutschen Namen umzuändern in eine afrikanische Stadtbezeichnung. Doch diese Versuche stießen erstaunlicherweise bei den Einwohnern von Luederitz auf allerheftigsten Widerstand. Eine ungewöhnliche Tatsache! Denn es gibt nur noch wenige Nachfahren mit deutschstämmigen Wurzeln. Ein Grund für diese Sturheit dürfte vermutlich der Tourismus sein. Aber so ganz genau weiß es keiner zu sagen.
Luederitz – Ein Ort macht Karriere
Und dann geschah etwas, das den Ort für die nächsten Jahrzehnte stark verändern sollte. Es war ein Ereignis, das die Basis schaffen sollte für das heutige Aussehen der Stadt Luederitz und ihre spätere Berühmtheit. Beim Ausbau der bereits vorhandenen Eisenbahnstrecke entdeckte ein Arbeiter 1908 einen seltsam funkelnden Stein. Er brachte ihn zu seinem Chef, der ein Hobby-Mineraloge war. Der gefundene Stein entpuppte sich als – Diamant! Damit war es vorbei mit der Beschaulichkeit in dem wüstenhaften Gebiet, in dem Lüderitz lag. Es begann ein unglaublicher Diamantenrausch! Das bis dahin absolut provinzielle Städtchen lebte auf und wuchs rasch zu einer florierenden Hafenstadt.
Der Diamantenrausch
Die in der Nähe der Diamentenmine neu angelegte Siedlung Kolmanskuppe trug dazu bei, dass Handel und Wirtschaft rasant gediehen. Viele Deutsche sind damals nach Luederitz ausgewandert in der Hoffnung, ihr Glück zu machen und reich zu werden. Ich bummle langsam durch das gemütlich-verschlafene Städtchen und versetze mich im Geiste zurück in jene Zeit. Sie hat ihre Spuren hinterlassen. Straßenschilder in deutscher Sprache – wie Bismarckstraße, Nachtigallweg, Bergstraße oder Diamantbergstraße – zeugen noch heute davon. Und erst die Häuser! Jugend- und Fachwerkstil mit Erkern, Türmchen und Giebelchen – ganz wie zuhause in Deutschland!
Viele sind hervorragend restauriert, anderen dagegen sieht man ihr Alter an. Da bröckeln Farbe und Putz, hier und da finde ich blicklose, spinnwebenverhangene Fensterscheiben – ein morbider Charme geht von all dem aus und schlägt mich irgendwie in Bann.
Luederitz – ‚Kreplin-Haus‘ und ‚Kapps Konzert- & Ballsaal‘
Ich laufe am ‚Kreplin-Haus‘ vorbei, benannt nach Emil Kreplin, der im Zug des Diamantenfiebers nach Lüderitz kam. Er war Direktor einer Diamantfirma und gleichzeitig erster Bürgermeister von Luederitz. Dieses Haus war sein Amtssitz. Gewohnt hat dieser Mann im ‚Haus Grünewald‘, das ich einige Minuten später finde. An der Tür hängt ein Schild, das an seinen deutschen Architekten, einen gewissen Herrn Kramer, erinnert.
Gesellschaftliches Leben in Luederitz
Wie haben die Menschen, die aus Deutschland nach Afrika gekommen waren, gelebt, so fern der alten Heimat? Fest steht, dass ein reges Kultur- und Gesellschaftsleben stattgefunden hat, damals, als das Gebiet noch „Deutsch-Südwest-Afrika“ hieß. Ein Haus mit der Aufschrift „Kapps Konzert- & Ballsaal mit Kegelbahn“ erinnert noch immer daran. Alles, was man von zuhause kannte, liebte und gewohnt war, wollte man natürlich genauso hier in Afrika haben. Und der Ballsaal? Der diente in den goldenen Zeiten der Stadt ganz sicherlich auch dem Amusement der Diamantschürfer, wenn sie nach Lüderitz kamen. Heute findet man im Haus das gleichnamige Kapps-Hotel.
Luederitz – ‚Krabbenhöft & Lampe‘
Das große Gebäude mit dem Schriftzug ‚Krabbenhöft & Lampe‘ gehörte den beiden Deutschen Friedrich Wilhelm Krabbenhöft und Otto Lampe. Krabbenhöft hatte das Handelsunternehmen bereits 1880 in Gibeon gegründet, einer etwa 400km von Lüderitz entfernten Stadt im Hinterland. Zusammen mit seinem später eingestiegenen Partner Lampe verlegte er, als der Diamantenrausch begann, den Firmensitz 1908 nach Lüderitz und errichtete dafür das große repräsentative Gebäude. Es sollte sowohl als Firmen- als auch als Wohnsitz dienen.
Die Architektur des Firmensitzes
Die Bauherren waren dabei außerordentlich vorausschauend. Das zweistöckige Gebäude wurde so konzipiert, dass es bei Bedarf auf drei Etagen vergrößert werden konnte. Allerdings wurde diese Maßnahme dann nie notwendig. Die Mauersteine für den Bau ließ man sich per Schiff aus Kapstadt kommen. Die Dachsparren und die Dachziegel dagegen importierte man aus Deutschland. Bei der Architektur des wohlproportionierten Gebäudes stechen besonders die unterschiedlich aber geschmackvoll gestalteten Dachfenster ins Auge sowie das mit Schiefer gedeckte Dach. Das Unternehmen existiert bis heute und gilt als das älteste von ganz Namibia. Das ehemalige Firmengebäude allerdings ist zu einer Übernachtungsmöglichkeit mit verschiedenen Appartements umgestaltet worden .
Luederitz – Der alte Bahnhof
Da die Frachtschifffahrt rapide zugenommen hatte, fehlten nun entsprechende Transportverbindungen ins Hinterland von Luederitz zu anderen Städten. Auch die Bevölkerungszahl hatte sich drastisch erhöht. Das bis dahin schon existierende kleine Bahnhofsgebäude genügte den wachsenden Anforderungen im Hinblick auf Fracht- und Personentransport nicht mehr. Deshalb wurde von der deutschen Regierung ein Neubau beschlossen. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs wurde der Bahnhof im April 1914 fertiggestellt. Er war damit das letzte größere Bauwerk, das noch von deutschen Kolonialherren errichtet wurde. Es war gleichzeitig auch das letzte große Gebäude in der Diamantenära. Als es dann mit den kostbaren Steinen vorbei war, versank der Ort wieder in Bedeutungslosigkeit. Der Bahnhof wurde unrentabel und geschlossen.
Bei meinem allerersten Besuch in Luederitz vor vielen Jahren lag der Bahnhof noch im tiefsten Dornröschenschlaf. Die verstaubten Fensterscheiben der verschlossenen Eingangstür verwehrten mir einen neugierigen Blick hinein. Schade! Nur ein dreisprachiges Schild – deutsch, englisch und afrikaans – wies damals darauf hin, dass dieses Gebäude ein ‚National Monument‘ ist. Seit einiger Zeit hat man ihn umfassend restauriert und er wird auch wieder benutzt.
Fazit
Wer nach Namibia kommt, sollte es trotz vieler anderer Sehenswürdigkeiten nicht versäumen, der Stadt Luederitz einen Besuch abzustatten. Es ist ein wunderbarer Ausflug in ein Stück deutscher Geschichte im Südwesten des afrikanischen Kontinents.