Felsenkirche und Goerke-Haus in Lüderitz, der kleinen Stadt in Namibia, sind wohl zwei der bekanntesten Sehenswürdigkeiten. Über die Geschichte der deutschen Kolonialstadt und die Besonderheiten ihrer Architektur habe ich bereits in dem Artikel über Lüderitz und seine Geschichte beschrieben.
Die Felsenkirche ist das Wahrzeichen der Stadt und gleichzeitig das höchstgelegene Gebäude. Sie thront hoch über dem Ort auf dem Diamantberg. Dem Granitfelsen verdankt sie auch ihren Namen. Ich trete ein, setze mich auf eine der alten Holzbänke, lasse die Stille auf mich wirken und meine Gedanken in die Vergangenheit schweifen, wie es wohl beim Bau so zugegangen sein mag.
Die Felsenkirche ist evangelisch-lutherisch und wurde in neugotischem Stil errichtet. Am 19. November 1911 wird von Albert Bause der Grundstein gelegt, am 4. August 1912 erfolte die Einweihung durch Pfarrer Metzner, einem Sohn des Ortes Kaltennordheim in Deutschland. Für den Bau der Felsenkirche erhielt der Architekt damals sogar das Königlich-Preußische Verdienstkreuz in Silber.
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Wer hat außerdem an der Felsenkirche gearbeitet?
An der Wand findet sich auch ein Schreiben eines gewissen Wilhelm Meckel. Er war Klempnermeister und mit den Klempnerarbeiten für die Felsenkirche beauftragt worden. Es ist von ihm in altdeutscher Handschrift verfasst worden. Um den heutigen Besucher das Lesen zu erleichtern, hängt daneben die Übersetzung in Druckschrift.
Die Buntglas-Fenster der Felsenkirche
Die wunderschönen Buntglasfenster der Felsenkirche wurden bereits 1910 bei der „Hofglasmalerei W. Franke“ in Naumburg bestellt, also ein Jahr bevor man überhaupt mit dem Bau begonnen hatte. Deshalb konnte die Kirche dann auch relativ schnell fertiggestellt werden. Bereits nach 9 Monaten war sie vollendet. Die Kosten für die Fenster konnten durch Spenden, teils von Menschen aus Namibia, teils auch von deutschen Freunden zuhause, gedeckt werden. Die großzügigen Geldgeber sind in den Buntglas-Fenstern namentlich erwähnt.
Ein schönes Fenster ist das sogenannte ‚Luther‘-Fenster, das ein Konterfei des großen Reformators zeigt. Es war ein großzügiges Geschenk für die Felsenkirche von Johann Albrecht Herzog zu Mecklenburg. Ein weiteres Fenster stammt von der ‚Abteilung Lüderitzbucht des Frauenbundes der Kolonialgesellschaft‘.
Kaiserliche Geschenke für die Felsenkirche in Lüderitz
Das große und farbenfrohe Bleiglasfenster hinter dem Altar ist besonders hervorzuheben. Denn der Spender war kein Geringerer als der damalige Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich. Die Kosten für das Altarfenster der Felsenkirche betrugen 2.000 Goldmark, das war – so steht es jedenfalls in den Aufzeichnungen – auch für einen Kaiser damals ein nicht unerheblicher Betrag. Das Fenster zeigt die Bibelszene ‚Jesus stillt den Sturm‘.
Die Zeitung „Heimatglocken“ in Kaltennordheim berichtete 1912 darüber: „… die ganze innere Ausstattung ist mit dem Altarfenster, das der Kaiser (Wilhelm II.) und der Altarbibel, die die Kaiserin stiftete, von mancherlei Freunden und Helfern im deutschen Vaterlande und in der Kolonie geschenkt worden“.
Die Gemahlin, Ihre Majestät Kaiserin Auguste Victoria, ließ es sich auch nicht nehmen, ihren Teil zur Ausstattung der Felsenkirche in der deutschen Kolonie beizutragen. Von ihr stammt die Altarbibel.
Die Glocken
Die Glocken der Felsenkirche wurden ebenfalls in Deutschland, nämlich in Apolda, bei der Glockengießerei Franz Schilling in Auftrag gegeben. Im Original-Angebotsschreiben, verfaßt in wunderbar antiquiertem Deutsch und mit einigen Tippfehlern darin, ist von der „günstigen Conjuktur“ die Rede. Es schließt mit folgendem Satz: „… ich sehe einer geschätzten Auftragserteilung gerne entgegen und zeichne in ausgezeichneter Hochachtung und mit deutschem Handschlag, Ihr ergebenster Franz Schilling“. Tja, Geschäftsleben gestern und heute…
2012 wurde 100jähriges Jubiläum gefeiert, davor wurde extra noch das Dach saniert. Die Felsenkirche ist – ebenso wie der Bahnhof – heute ein Nationales Denkmal.
Aufschlussreiche Details dazu gibt es in einer kleinen Broschüre, die ich in der Felsenkirche erworben habe. Daraus stammen auch die genannten Zitate.
Quelle: DELK Lüderitzbucht, Felsenkirche 1912 Lüderitzbucht, 2000-2002, Seiten 8, 10, 54-55
Das Goerke-Haus in Lüderitz
Das Goerke-Haus ist mein nächstes Ziel hier in Lüderitz. Ich verlasse die Felsenkirche und biege nur kurze Zeit später in die Diamantbergstraße ein. Dort finde ich schnell das Goerke-Haus. Es ist eine vornehme, vom damaligen Wohlstand seines Erbauers zeugende Villa und bildet eine Mischung aus Jugendstil und wilhelminischem Stil, kombiniert mit etwas dekorativem Fachwerk. Das Goerke-Haus gehört zu den sogenannten ‚Diamantenpalästen‘. So wurden die repräsentativen Bauten der Reichen in Lüderitz bezeichnet.
Wer schuf das Goerke-Haus?
Hans Goerke, wurde 1874 in Deutschland geboren. Als die Kolonie Deutsch-Südwestafrika entstand, wurde er 1904 mit der deutschen Schutztruppe in Lüderitz stationiert. Ein Jahr später musste er aufgrund einer schweren Verletzung zurück in die Heimat. Dort lernte er in Berlin eine bezaubernde junge Dame kennen, Luise Hornig, mit der er sich bald verlobte. Allerdings währte das traute Glück nicht lange, denn Hans Goerke musste wieder zurück in die Kolonie.
Das Goerke-Haus und das Diamantenfieber
In Namibia geschah es dann 1908, dass August Stauch, der damals beim Ausbau der Eisenbahnstrecke mitarbeitete, den ersten Diamanten entdeckte. Das war der Beginn des großen Diamantenrausches.
Damit setzte bald auch ein starker Bau-Boom ein. Wer im Diamantengeschäft sein Glück gemacht hatte, demonstrierte das natürlich gerne auch nach außen mit dem Bau seiner beeindruckenden Residenz. Wer es sich leisten konnte, gönnte sich ein wenig Luxus in dieser unwirtlichen und rauhen Gegend, fern der deutschen Heimat. Einer der schönsten Bauten aus dieser ’steinreichen‘ Zeit ist das sogenannte ‚Goerke-Haus‘.
Hans Goerke und die Diamanten
Der junge Offizier entschied sich, den Dienst bei der Schutztruppe zu quittieren und in das lukrativere Diamantengeschäft einzusteigen. Er wurde schnell Direktor der Emiliental-Diamantengesellschaft. Binnen kurzer Zeit machte er ein Vermögen und konnte es sich leisten, eine standesgemäße prächtige Residenz etwas erhöht auf den Felsen errichten zu lassen. So entstand das hochherrschaftliche Goerke-Haus nach Plänen des Regierungsbaumeisters Otto Ertl.
Nach nur einem Jahr war die beeindruckende Villa fertig. Das Goerke-Haus zählt bis heute mit zu den schönsten Gebäuden in ganz Lüderitz. Seinen Besitzer Hans Goerke kostete es damals stolze 70.000 Goldmark. Das war in jener Zeit eine unglaubliche Summe.
Das Goerke-Haus und seine Besonderheiten
Der Bau war eine beeindruckende Leistung, denn Baumaterial, Maschinen, etc. musste alles mit dem Schiff aus Deutschland nach Afrika gebracht werden. Mit all den Erkern und Verzierungen, holzgeschnitzten Balkonen zeugt das Goerke-Haus noch heute von der Handwerkskunst der damaligen Menschen. Sogar an eine Sonnenuhr am zum Haus gehörigen Turm wurde gedacht!
Kaum war das Goerke-Haus fertig, reiste der stolze Besitzer wieder nach Deutschland, um dort seine Verlobte zu ehelichen. Die Hochzeit fand in Berlin statt und gleich im Anschluss daran fuhr das frisch getraute Paar hoffnungsvoll zurück nach Lüderitz.
Das Leben im Goerke-Haus in Lüderitz
Damit sich seine junge Frau auch wirklich wohl und wie zuhause fühlen konnte und nichts vermissen sollte, war das nach seinem Besitzer benannte Goerke-Haus mit – für damalige Verhältnisse – allem erdenklichen Luxus ausgestattet worden.
Im Eingangsbereich des Hauses hängen Bilder des Ehepaares, sie hübsch im eleganten figurbetonten Kleid, mit wagenradgroßem Hut und Sonnenschirm, er nachdenklich-ernst dreinblickend, abstehende Ohren, das Haar – entsprechend der damaligen Mode – streng nach hinten gegelt und gekämmt und ordentlich in der Mitte gescheitelt.
Doch die junge Luise war ein echtes Berliner Stadtkind. Konnte es gutgehen, wenn eine Großstadtpflanze in die öde wüstenhafte ‚Wildnis‘ einer noch jungen Kolonie in Afrika verpflanzt wird? Lüderitz liegt in einer Gegend, die ein rauhes und ungemütliches Klima besitzt, dazu nasskalten Seenebel und ständig stürmischen Wind vom Atlantik, der einen mürbe machen kann. Und dann noch der Sand – Dieser ewige, allgegenwärtige Sand, der sich in jeder Fuge, jeder Ritze und Nische, einfach überall festsetzte. Das wunderschöne Goerke-Haus in Lüderitz war wohl eher ein Alptraum für die Gattin – und vermutlich auch für das putzende Dienstmädchen.
Im Goerke-Haus macht sich Heimweh breit
Auch wenn man sich in Lüderitz alle Mühe gab mit dem Aufbau eines gesellschaftlichen Lebens. Natürlich gab es Bälle – Kapps Ballsaal erinnert noch heute daran -, sportliche Veranstaltungen oder Kostümfeste, deutsche Liederabende und anderes mehr. Doch einem Vergleich mit der eleganten und weltmännischen Großstadt Berlin jener Zeit konnte Lüderitz beim besten Willen nicht standhalten. So saß die junge Frau im Goerke-Haus und wurde ganz schrecklich vom Heimweh geplagt. Für sie muss es wohl eher eine Art goldener Käfig gewesen sein. Sie konnte sich mit der Kolonie nicht anfreunden und auch nicht für sie begeistern.
Das Goerke-Haus wird verlassen
Es kam, wie es kommen musste. Nur zwei Jahre blieb das Paar in der Villa in Lüderitz. Dann beschloss es, auf das immer heftiger werdende Drängen von Luise, wieder in die alte Heimat nach Deutschland zurückzukehren. Es sollte ein Abschied für immer sein, nicht nur vom Goerke-Haus, sondern auch von Namibia. Die beiden kehrten nie wieder zurück.
Hans und Luise Goerke bekamen zwei Kinder, einen Sohn und eine Tochter. Diese reiste erst 1996 zu einem Besuch nach Lüderitz und verbrachte einige Tage hier im Goerke-Haus.
Das Goerke-Haus heute
Nach dem Auszug der Familie Goerke stand das Haus lange Zeit leer, danach erwarb es die CDM (Consolidated Diamond Mines) und machte daraus das Goerke-Haus Museum, wunderschön eingerichtet im Stil der damaligen Zeit. Ein großer Teil der Original-Einrichtung blieb erhalten. Man kann das Goerke-Haus individuell besichtigen, aber es gibt auch geführte Touren.
Ich schlendere durch die Räume und die verschiedenen Etagen und male mir aus, wie es sich hier einst gelebt hat, wie sich die junge Großstädterin Luise gefühlt haben mag…
Als ich durch die große Holzeingangstüre – aus deutschem Eichenholz? – nach draußen will, fällt mein Blick auf den kunstvoll geschnitzten Willkommensgruß unter dem gitterbewehrten Jugendstil-Fenster: ‚Grüß Gott, tritt ein‘.
Auch ich bin eingetreten, in ein faszinierendes Land und eine bewegende Historie, aber ganz sicher nicht zum letzten Mal.
Fazit
Auch wenn die Kolonie Deutsch-Südwest-Afrika heute längst Geschichte ist und es nur noch wenige Nachfahren jener Kolonialisten gibt, die hier geblieben und heimisch geworden sind, haben sich noch immer viele Spuren und architektonische Zeugen erhalten – so wie die Felsenkirche und das Goerke-Haus.